Der Dieb im Backofen oder Grenzen überschreiten in Kürnbach
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inst verlief eine Grenze mitten durch den kleinen Kraichgau-Ort Kürnbach. Im Mittelalter waren derartige „Kondominate“ nichts Außergewöhnliches. Doch nach den Napoleonischen Kriegen, als das Deutsche Reich neu geordnet wurde, regierte nur noch über Kürnbach. ein Kondominat
In dem kleinen Kürnbach schalten und walten von 1810 bis 1904 Baden und Hessen gemeinsam. Damals laufen durch die von Fachwerk gesäumten Gassen zwei Bürgermeister – beide sind für sechs Jahre gewählt, jeder führt drei Jahre lang den Vorsitz. Es gibt zwei Förster und zwei Standesämter. Gemeinderechner indes gibt es gar drei – Ordnung muss sein, es braucht neben hessischen und badischen Gemeinderechner noch einen Gesamt-Rechner.

In jener Zeitspielt die Sage, die ich mit großem Vergnügen bei Hoffesten im Kraichgau erzähle; es ist dies die Lieblingssage der Kinder. Manche kommen jedes Jahr wieder, um sie zu hören, obwohl sie die kleine Geschichte längst selbst erzählen könnten.
Damals, als mitten durch das kleine Kürnbach eine Grenze verlief, kam eines Tages ein Handwerksbursche durch das Dorf geschlendert. Er schwitze, die Sonne schien heiß, er hätte gern sein Hemd gewechselt. Doch er hatte keines mehr. Da sah er auf einer Wäscheleine im Winde eine Reihe von frisch gewaschenen Männerhemden schaukeln. „Ei der Daus, da bediene ich mich jetzt!“, sagte sich der Bursche. Er schaute heimlich nach rechts und nach links, schon war er über den Zaun gesprungen, schon hatte er ein Hemd von der Leine gerissen, schon war er am zurückklettern, da schrie in seinem Rücken eine schrille Frauenstimme „Haltet den Dieb!“ Sie hatte den Burschen durch ihr Küchenfenster beobachtet. Den Kochlöffel noch in der Hand, lief sie nun hurtig hinter ihm her, und schrie immer wieder „Haltet den Dieb! Haltet den Dieb!“ …
Nun, der Bursche konnte sich retten, indem er über die Grenze nach Hessen rannte. Nur – es stand dort ein Backofen und er musste in diesen Backofen klettern, um sich zu retten …“
(Quelle: Mechthild Goetze – Weinwege genißen im Kraichgau, 2010. – S. 147)

Keine 2500 Menschen wohnen heute in Kürnbach, die Zahl der Straßen ist überschaubar, es gibt zwei Frisiersalons, je eine Metzgerei, Bäckerei, Apotheke und Schule. Wer bleiben will, übernachtet im „Lamm“.
Aber Weingüter gibt es einige! Man findet sie in unserem Buch „Mechthild Goetze – Weinwege genießen im Kraichgau“ ausführlich aufgelistet auf Seite 172: Besenwirtschaft Czech, Weingut GravinO, Weingut Plag, Weingut Simmel und gegenüber die Besenstube Büchele. Und wer einkehren will – außerhalb von Besenzeiten – hat ebenfalls die Wahl: Restaurant Weiß, Kürnbacher Hof oder Bistro Minigolf Kürnbach

Ein Ausflug nach Kürnbach – an einem ruhigen unaufgeregten Tag inmitten der Woche – ist Genuss. Der kleine Ort zeigt sich dann ruhig und so idyllisch, als wäre er einem Bildband „Schönste Dörfer“ entnommen. Beim Marktplatz finden sich historische Informationen auf Tafeln und zwei alte Keltern – Badenkelter und Hessenkelter – erinnern an die Zeiten des Kondominats. Das Weinhaus am Marktplatz zeigt deutlich: Hier gibt es auch Wein!

Wie aber lässt sich Kürnbach erreichen? Nach Flehingen fährt die Bahn (S4; Karlsruhe – Heilbronn) und von dort ein Bus nach Kürnbach. Ein Wanderweg (knapp 6 km lang) ist aber auch beschrieben in „M. Goetze – Weinwege genießen im Kraichgau“ (Seite 142f.).

Unser Motto diesmal sind diesmal die Grenzen, wie z.B. die alte Grenze des Kondominats. Doch eine weitere Grenze lässt sich bei diesem Ausflug überschreiten: die Grenze von Baden nach Württemberg. Man sieht sie nicht, aber die Winzer kennen sie genau. Das Weingut GravinO schreibt dazu auf seiner Homepage: Eine Begradigung der Flurgrenzen zwischen dem schwäbischen Kraichgauort Oberderdingen und dem badischen Nachbarort Kürnbach machte plötzlich aus zwei badischen Weinbergen württembergische. Was an und für sich in unserer Gegend kein Problem gewesen wäre, … kommen doch die Badener und Württemberger an dieser alten Grenze stets gut miteinander aus – wenn es nicht auch noch die beiden Weinbauzonen gegeben hätte. Plötzlich hatten wir Weinberge in der Weinbauzone A, deren Trauben nicht mehr bei der örtlichen Genossenschaft im Badischen abgeliefert werden konnten. (Quelle: http://www.gravino.de/weingut, abgerufen am 17.7.2018)
Am Weingut GravinO führt uns der im Buch „Weinwege genießen im Kraichgau“ beschriebene Weg vorbei. Das Weingut zeigt sich ganz am Rande Kürnbachs vor einem freien Feld. Dahinter der Weinberg liegt schon in Württemberg. Zum Nachbarort Oberderdingen in Württemberg sind es vom Weingut GravinO keine 4 Kilometer. Wir steuern Oberderdingen an, es geht dort lebhafter zu als in Kürnbach. Eines Tages – ein Wunsch – bekomme ich die Gelegenheit, das Buch „Weinwege genießen in Württemberg“ zu schreiben. Ich würde darin von Oberderdingen nach Kürnbach wandern wollen mit gemeinsamen Geschichten.

In Oberderdingen bietet sich ein Abstecher in eine duftende Wunderwelt an, zu einem Rosengarten (Schillerstr. 61; tgl. geöffnet, Eintritt frei). Der Garten wurde 1993 von Rosenzüchter Karl Hetzel (1920-2003) eröffnet. Er ist nicht groß, aber wer ihn in der Zeit der Rosenblüte betritt, findet ein duftendes Kleinod. Karl Hetzel, zu Lebzeiten einer von vier Rosenzüchtern in Deutschland, der einzige in Süddeutschland, züchtete die erste stachellose Rose. Seine Rosen tragen Namen wie „Derdinger Sommer“, „Kronprinzessin Victoria“ (1986 in Göteburg, ihre Mutter, die schwedische Königin Silvia, wuchs in Heidelberg), „Steffi-Graf-Rose“ (nach der Tennis-Weltmeisterin aus Brühl)
Wegbeschreibung vom Amthof Oberderdingen dorthin (700m): Auf der Brettener Straße auf den Kastenbrunnen zugehen, nach 20 Metern nach rechts auf Amthof abbiegen, vorbei an Weingut Lutz, Bücherei, Glockenturm und Kelter. Am Weg-Ende nach links gehen, der Weg endet schnell. Hier dem Weg nach rechts folgen, er endet neben einem Seniorenzentrum; nach links an diesem vorbeigehen. Der Weg führt ins Grüne (linkerhand das Freibad); hier vor dem Wohnmobilstellplatz nach rechts wenden, linkerhand liegt dann sogleich dieser Rosengarten.
Der Fußweg von hier aus zurück zum Bahnhof Flehingen, 4 Kilometer lang, ist auch zu bewältigen, wenn man müde, erfüllt von vielen Eindrücken und vom Weingenuss ist.

Wein-Veranstaltungen in Kürnbach anno 2018
9.9., ab 10 Uhr: Wandern mit Wein = Entlang einer herrlich gelegenen Wanderstrecke stehen Probierstände der Winzergenossenschaft Kürnbach sowie Weingut Plag; dazu sorgen Stationen für eine Stärkung, es gibt Geschicklichkeitsspiele & ab 11 Uhr Bewirtung in der Hessenkelter
11.10.-30.10. Kerwebesen beim Weingut Czech
26.10.-4.11. Kerwebesen in der Besenstube Büchele 
27.10.-29.10. Schwarzriesling-Kerwe (mit Krämermarkt "Ägidius", Kunstgewerbemarkt in der Hessenkelter, Ausstellung im Weinhaus)
28.10. (Kerwe-Sonntag) Naturparkmarkt 11-18 Uhr auf dem Marktplatz (Lebensmittel der Direktvermarkter aus der Naturparkregion, Rahmenprogramm mit ortsgeschichtlichem Rundgang, Quiz, Vorlesestunde, Kasperle-Theater, Musik u.a.); dazu Weinmarkt der Winzergenossenschaft & der Weingüter GravinO + Plag in der Badischen Kelter
17.11.-25.11. Besenzeit beim Weingut Plag:
1.12.18, um 18:30 Uhr (Anmeldung bis am Tag vorher; 12 Euro): Weinprobe im Weinhaus am Marktplatz mit Weingut Plag (Das Sandsteingebäude errichtete Steinmetz Friedrich Eberhard 1857. Im hohen Sockelgeschoss war der Kuhstall. Heute befindet sich im Gewölbekeller der Schwarzrieslingkeller für Weinproben in einer besonderen Atmosphäre. Reservierung: Gemeindeverwaltung; T. 07258.91050 / gemeinde@kuernbach.de)

Weingüter & Einkehren in Kürnbach
Besenwirtschaft Czech (Mühlstr. 1; Besenzeit 2.8.-26.8. Di-So ab 11 Uhr; Ruhetag Mo)
Weingut GravinO (Gräfental 54; Weinverkauf: Mi + Fr 17-20, Sa 10-12 + 13-17 Uhr)
Weingut Plag (Leiberger Weg 1; Weinverkauf: Mo-Sa ab 11, So/Fei ab 10:30 Uhr)
Weingut Simmel (Heiligenäcker 2; T. 07258.433); gegenüber die Besenstube Büchele (Heiligenäcker 1; Kerwebesen 26.10.-4.11.2018)
Und wer einkehren will – außerhalb von Besenzeiten – hat ebenfalls die Wahl:
Restaurant Weiß (Ruhetage Mo+Di, Tischreservierung ratsam; Austr. 63; T. 07258.6560)
Kürnbacher Hof (Lammstr. 2): mit Sonntagsbrunch (bitte reservieren; Mi-Mo 10:30-14 + 16:30-22, Sa ab 16:30 Uhr), auch übernachten
Bistro Minigolf Kürnbach (Hinterm Schloß 1; T. 07258.9509662): mit Freiterrasse (Mo-Sa 11-21:30, So/Fei 11-20:30 Uhr)
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